Vom Filmklassiker bis zum Weihnachtsmarkt: Die Welt des Glühweins neu entdeckt
Der verführerische Duft von Zimt, Orangen und Nelken kündigt zuverlässig die kalte Jahreszeit an. Glühwein ist längst mehr als nur ein einfaches alkoholisches Heißgetränk; er ist ein kulturelles Phänomen, das sogar in Filmklassikern wie Frank Capras „Ist das Leben nicht schön?“ verewigt wurde. Wenn der Schutzengel Clarence an der Bar sitzt und „Glühwein, viel Zimt und wenig Nelken“ bestellt, spricht er vielen Genießern aus der Seele. Doch während der Protagonist George Bailey in dem Kultfilm von 1946 noch zum Bourbon griff, wusste sein himmlischer Begleiter bereits, was im Winter wirklich wärmt. Wer wissen möchte, was genau in der Tasse dampft oder wie man den Klassiker selbst zubereitet, muss kein Winzer sein – ein Blick auf die Details und Rezepte lohnt sich dennoch.
Die Kunst der perfekten Zubereitung
Obwohl Glühwein in fast jedem Supermarkt erhältlich ist, lohnt sich die eigene Herstellung, da man so die volle Kontrolle über die Inhaltsstoffe behält. Für vier bis fünf Gläser sollte man mit einer Flasche Rotwein rechnen. Hierbei muss keinesfalls der teuerste Tropfen aus dem Keller geholt werden; ein solider Wein im mittleren Preissegment zwischen 10 und 20 Euro ist völlig ausreichend. Fruchtbetonte Sorten wie Merlot, Zinfandel, Grenache oder Dornfelder eignen sich besonders gut.
In einen Topf gibt man den Wein zusammen mit zwei Zimtstangen, vier Sternanis und – ganz nach Clarence’ Geschmack – einer wohl dosierten Menge an Gewürznelken, etwa sechs Stück. Eine gewaschene Bio-Orange wird mitsamt der Schale in Scheiben geschnitten und hinzugefügt, ebenso wie der Saft der Frucht. Wer experimentierfreudig ist, kann die Mischung mit Kardamom, Piment, halbierten Vanilleschoten oder frischem Ingwer komplexer gestalten. Auch Apfel- oder Birnenscheiben sowie Granatapfelkerne sind eine willkommene Ergänzung.
Geduld statt Hitze
Ein entscheidender Fehler unterläuft vielen Hobbyköchen beim Erhitzen: Der Wein darf keinesfalls kochen. Siedet die Flüssigkeit, verflüchtigt sich nicht nur der Alkohol, sondern das Gewürzprofil kippt ins Bittere. Ideal ist eine Temperatur von etwa 70 Grad Celsius. Sobald der Zucker – hier empfehlen sich besonders die karamelligen Noten von braunem Zucker, alternativ aber auch Honig oder Ahornsirup – aufgelöst ist, sollte die Hitze reduziert werden. Der Sud muss mindestens zehn Minuten, gerne aber auch länger ziehen, damit sich die Aromen voll entfalten können. Vor dem Servieren wird das Getränk durch ein Sieb in hitzebeständige Gläser gefüllt und klassisch mit einer Zimtstange oder Orangenscheibe garniert.
Weiße Varianten und cremige Verführer
Längst hat sich neben dem roten Klassiker auch der weiße Glühwein etabliert. Er wirkt oft frischer und leichter. Hierbei wird Weißwein mit etwas Apfel-, Zitronen- oder Orangensaft gemischt und ähnlich gewürzt. Eine gehaltvolle und fast dessertartige Besonderheit stellt der weiße Rahmglühwein dar. Für dieses cremige Erlebnis lässt man 150 Gramm Zucker karamellisieren und löscht ihn mit weißem Portwein ab. Aufgegossen mit einem Liter Weißwein und verfeinert mit Vanille, Zimt, Sternanis und Zitrusfrüchten, wird die Mischung erhitzt. Nach dem Ziehen und Absieben wird ein halber Liter Sahne untergerührt. Das Ergebnis ist ein süßes, wärmendes Getränk, das heiß serviert wird.
Der Blick über den Tellerrand: Glögg und Feuerzangenbowle
Wer es nordisch mag, greift zum Glögg. Diese skandinavische Version erfreut sich auch in Deutschland wachsender Beliebtheit. Der Rotwein wird hierbei oft mit Korn, Wodka oder Rum „verstärkt“ und traditionell mit einer Einlage aus Mandelstiften und Rosinen serviert. Ein wahres Spektakel bietet hingegen die Feuerzangenbowle, die ursprünglich aus Süddeutschland stammt. Hierbei tropft brennender, karamellisierter Zucker von einem Zuckerhut in den gewürzten Rotwein im Kessel. Damit dies gelingt, ist ein Rum mit mindestens 54 Prozent Alkoholgehalt zwingend erforderlich, da er sonst nicht brennt. Auf Skihütten hingegen dominiert oft der Jagertee als rustikale Alternative.
Was das Gesetz vorschreibt
Wer lieber zum fertigen Produkt greift, sollte auf das Etikett achten, denn der Begriff „Glühwein“ ist rechtlich geschützt. Laut Gesetz muss das Getränk einen Alkoholgehalt zwischen 7 und 14,5 Volumenprozent aufweisen. Es darf ausschließlich aus Rot- oder Weißwein bestehen, der gesüßt und gewürzt wurde. Die Zugabe von Wasser oder zusätzlichem Alkohol ist den Herstellern bei Produkten, die als Glühwein verkauft werden, untersagt.
Seit Ende 2023 greift zudem eine neue EU-Kennzeichnungspflicht. Für alle Weine, die nach dem 8. Dezember 2023 produziert wurden – also spätestens ab dem Jahrgang 2024 –, müssen Zusatzstoffe, Allergene und Nährwerte wie der Zuckergehalt angegeben werden. Die Hersteller können dies entweder direkt auf dem Etikett oder digital über einen QR-Code lösen. Besondere Qualitätsversprechen liefern Bezeichnungen wie „Winzerglühwein“ oder „Deutscher Glühwein“. Ersteres garantiert, dass der Wein aus den eigenen Trauben des verarbeitenden Weinguts stammt, letzteres sichert zu, dass ausschließlich heimische Grundweine verwendet wurden.
Der feine Unterschied zum Punsch
Deutlich lockerer sind die Regeln beim Punsch. Hier sind der Kreativität kaum Grenzen gesetzt: Fruchtsaft, Tee, Wein oder Schnaps dürfen in beliebiger Mischung kombiniert werden. Ein „Glühwein mit Schuss“ ist daher lebensmittelrechtlich eigentlich kein Glühwein mehr, sondern müsste beispielsweise als „Glühpunsch mit Rum“ deklariert werden. Auch der beliebte Eierpunsch, eine Mischung aus Eierlikör, Weißwein, Zucker und Zimt, fällt in diese Kategorie. Historisch betrachtet stammt das Konzept des Punsches aus Indien und basierte ursprünglich auf den fünf Zutaten Arrak, Zucker, Zitrone, Tee oder Gewürzen und Wasser. Heute bietet die Vielfalt an Rezepten für jeden Geschmack das Richtige – ob mit Alkohol oder ohne, ob nach strengem Reinheitsgebot oder als kreativer Mix.