Vom heimischen Festbraten zur kalifornischen Enten-Kunst: Ein kulinarischer Streifzug

Wenn die Tage kürzer werden, beginnt in Deutschland eine ganz besondere kulinarische Hochsaison. Vom Martinstag Mitte November bis weit in die Weihnachtsfeiertage hinein dominiert die Gans die heimischen Esstische. Doch während hierzulande die Öfen für den perfekten Braten vorgeheizt werden, zeigt ein Blick über den Atlantik nach San Francisco, dass die Kunst der Geflügelzubereitung auch modern und restauranttauglich interpretiert werden kann.

Die Basis für den deutschen Klassiker

Der Weg zum perfekten Gänsebraten beginnt bereits beim Einkauf. Der Handel bietet in der Regel Frühmastgänse und junge Gänse an, die küchenfertig zwischen 3,5 und sechs Kilogramm auf die Waage bringen. Wer für eine Gesellschaft plant, sollte pro Person etwa 600 bis 700 Gramm Rohgewicht inklusive Knochen einkalkulieren – ein Fünf-Kilo-Vogel sättigt somit gut acht Personen. Für kleinere Runden ist der Griff zu einzelnen Keulen oder der Brust oft die pragmatischere Wahl.

Das Geheimnis eines aromatischen Bratens liegt im Inneren. Nach dem Waschen und Trockentupfen sowie dem großzügigen Einreiben mit Salz und Pfeffer sorgt die Füllung für den Charakter. Klassisch greift man zu gehacktem Gänseklein, Äpfeln und Zwiebeln. Entscheidend sind Kräuter wie Majoran, Thymian und vor allem Beifuß, der das fette Fleisch bekömmlicher macht. Wer es fruchtiger mag, experimentiert mit Orangen, Pflaumen oder Maronen.

Geduld und Hitze für das perfekte Ergebnis

Die Zubereitung im Ofen erfordert Zeit und Aufmerksamkeit. Die Gans wird mit der Brust nach oben auf einem Rost über einer mit Wasser gefüllten Fettpfanne platziert. Gemüse und Innereien in der Pfanne bilden später die Basis für eine kräftige Soße. Bei 180 bis 200 Grad gilt die Faustregel: Eine Stunde Garzeit pro Kilo Gewicht. Wer auf Nummer sicher gehen will, nutzt ein Bratenthermometer – eine Kerntemperatur von mindestens 80 Grad ist Pflicht.

Ein entscheidender Arbeitsschritt ist das regelmäßige Anstechen der Haut unterhalb der Keulen. Dies lässt das Fett austreten und verhindert, dass der Braten im eigenen Saft kocht statt brät. Regelmäßiges Übergießen mit dem Bratensaft garantiert, dass das Fleisch saftig bleibt. Für Geduldige bietet sich die Niedrigtemperatur-Methode an: Nach einer Stunde Anbraten bei hoher Hitze gart der Vogel bei sanften 80 Grad etwa sieben Stunden lang weiter, was für besonders zartes Fleisch sorgt.

Der finale Schliff ist die Kruste. Etwa 15 Minuten vor Ende wird die Ofentemperatur auf bis zu 250 Grad hochgedreht oder der Grill zugeschaltet. Ein Bepinseln mit Salzwasser oder Honig sorgt für den gewünschten „Knack“. Während der Braten ruht, wird der entfettete Bratensatz mit Rot- oder Portwein reduziert und klassisch abgebunden.

Kantonesische Moderne in San Francisco

Wer sich diesen Aufwand sparen möchte und zufällig in der Bay Area unterwegs ist, findet im Stadtteil Bernal Heights in San Francisco eine beeindruckende Alternative zum heimischen Gänsebraten. Dort haben Simon und Eric Cheung im Jahr 2024 mit „Go Duck Yourself“ einen spannenden Ableger ihres Familienunternehmens Hing Lung Company eröffnet. Das Restaurant ist mehr als ein Imbiss; es ist eine Hommage an die Familiengeschichte in Hongkong, kombiniert mit den erstklassigen Produkten Nordkaliforniens.

Das Interieur setzt auf einen industriellen Chic: alles in Schwarz gehalten, freiliegende Rohre und im Hintergrund hängende Vögel vor lodernden Flammen. Die Atmosphäre ist locker, der Service aufmerksam, aber keineswegs steif. Reservierungen sind nicht zwingend nötig, man kann einfach vorbeischauen.

Ente und Klebreis neu definiert

Das Herzstück der Karte ist – wie der Name verrät – die Ente. Die kantonesische Variante, vorzugsweise entbeint serviert, gilt als eine der besten der Stadt. Für 38 Dollar ist das Preis-Leistungs-Verhältnis bemerkenswert. Serviert wird das Fleisch mit Jasminreis und knackigem Knoblauch-Gemüse. Dazu gibt es Pflaumen-Vinaigrette und einen Jus, in den man die knusprige Haut und das Fleisch tunken kann – eine süß-herzhafte Offenbarung.

Ein weiteres Highlight ist der Klebreis („Sticky Rice“). Er kommt als massiver Ziegel daher, gefüllt mit Wurst aus Schweinefleisch und Entenleber, getrockneten Garnelen, zuckergepökeltem Schweinebauch und Shiitake-Pilzen. Gesalzene Erdnüsse heben die Dekadenz dieses Gerichts auf ein neues Level. Auch die „Jian Dui“ (Sesambällchen) überraschen als heimlicher Hit der Karte.

Süßer Abschluss und Logistik

Zum Dessert sollte man sich das Espresso-Softeis nicht entgehen lassen, das aus der Milch von grasgefütterten Kühen hergestellt wird. Ein kleiner logistischer Hinweis für Besucher: Parkplätze in Bernal Heights sind rar gesät. Es empfiehlt sich die Anreise mit dem Muni-Bus der Linie 67, der direkt über die Cortland Avenue fährt. Wer nach dem üppigen Essen noch einen Verdauungsspaziergang braucht, findet in der nahegelegenen „Black Jet Bakery“ noch einen Kaffee oder einen süßen Snack für den Heimweg.

Ob nun die traditionelle Weihnachtsgans aus dem eigenen Ofen oder die moderne Interpretation der kantonesischen Ente an der Westküste der USA – am Ende zählt die Qualität der Produkte und die Sorgfalt bei der Zubereitung.