Steigende Lebensmittelpreise und die Wahrheit auf dem Teller: Die Doppelbelastung für Verbraucher und Gastronomen

Die Preise für Lebensmittel steigen unaufhaltsam, sowohl im Supermarkt als auch im Restaurant. Während Verbraucher mit höheren Rechnungen an der Kasse konfrontiert sind, kämpft die Gastronomie mit explodierenden Kosten und Personalmangel. Diese Entwicklung zwingt viele Restaurants, auf vorfertigte Produkte zurückzugreifen, was die traditionelle Kochkultur nachhaltig verändert.

Warum die Preise im Supermarkt steigen

Ein Blick auf die aktuellen Marktdaten zeigt eine deutliche Teuerung. Laut dem US-Arbeitsministerium stiegen die Lebensmittelpreise allein von Juli bis August um 0,6 %, die schnellste monatliche Rate seit Oktober 2022. Seit Beginn der COVID-19-Pandemie sind die Kosten für Lebensmittel sogar um 29 % in die Höhe geschossen.

Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig. David Ortega, Agrarökonom an der Michigan State University, nennt mehrere Faktoren: Angefangen bei den Lieferkettenproblemen durch die Pandemie, über den Anstieg der Rohstoff- und Energiepreise infolge des Krieges in der Ukraine bis hin zu den Auswirkungen der Vogelgrippe auf die Eierproduktion. Obwohl sich die Eierpreise erholt haben, bleibt die Gefahr durch Zugvögel im Herbst bestehen.

Auch der Klimawandel hinterlässt Spuren. Dürreperioden in den USA zwangen viele Viehzüchter 2022 dazu, ihre Herden zu verkleinern, was nun zu einem geringeren Angebot an Rindfleisch bei gleichzeitig hoher Nachfrage führt. Michael Swanson, Chef-Agrarökonom am Wells Fargo Agri-Food Institute, bestätigt: „Rindfleisch ist derzeit der größte Preistreiber im Lebensmittelindex.“ Ähnliches gilt für Kaffee, dessen Preis durch eine Dürre in Brasilien, dem Hauptlieferanten für die USA, stark gestiegen ist. Zusätzliche Belastungen wie Zölle und steigende Lohnkosten durch strengere Einwanderungsgesetze verschärfen die Situation weiter. Experten erwarten auch bei Tomaten aus Mexiko bald höhere Preise, da ein Handelsabkommen ausgelaufen ist und neue Zölle erhoben werden.

Der Kostendruck in der Gastronomie: Die Allgegenwart von Convenience-Food

Dieser Kostendruck kommt ungefiltert in der Gastronomie an. Doch hier kommt noch ein weiterer entscheidender Faktor hinzu: der akute Fachkräftemangel. Um Zeit, Personal und letztlich Geld zu sparen, greifen Schätzungen zufolge bereits 80 bis 90 Prozent der deutschen Restaurants auf sogenanntes „Convenience-Food“ zurück. Der englische Begriff für „Bequemlichkeit“ beschreibt industriell vorfertigte Produkte, die den Küchenalltag erleichtern. Mit traditionellem Kochen hat dies oft nur noch wenig zu tun.

Die Vorteile für Gastronomen sind jedoch offensichtlich: weniger Personaleinsatz, geringerer Zeitaufwand bei der Vorbereitung, bessere Planbarkeit und weniger Lebensmittelabfälle. Auch die Lagerhaltung wird einfacher und der Geschmack der Gerichte bleibt konstant. Obwohl die vorfertigten Produkte im Einkauf teurer sind als frische Rohwaren, rechnet sich der Einsatz durch die Einsparungen bei den Personalkosten. Schließlich wird zum Aufwärmen eines Fertiggerichts kein ausgebildeter Koch benötigt.

Von küchenfertig bis verzehrfertig: Die Stufen der Vorfertigung

Convenience-Produkte werden in fünf Fertigungsstufen unterteilt, die den Grad der Vorbereitung beschreiben:

  • Küchenfertig: Diese Produkte sind vorbereitet, aber noch nicht gegart. Knochen, Schalen oder nicht essbare Teile wurden entfernt. Beispiele sind geputztes Gemüse, bereits zerlegte Hühnerbrüste, tiefgefrorene Fischfilets oder Rührei aus dem Tetrapack.

  • Garfertig: Diese Lebensmittel müssen nur noch gegart, gebraten oder frittiert werden. Hierzu zählen Tiefkühl-Pommes, panierte Schnitzel, Nudeln oder Aufbackbrötchen.

  • Misch- oder Aufbereitungsfertig: Fertig gegarte Komponenten, denen noch weitere Zutaten hinzugefügt werden müssen. Klassiker sind Kartoffelpüreepulver oder Tütensuppen.

  • Zubereitungsfertig: Diese Gerichte müssen nur noch erhitzt werden. Typische Beispiele sind Tiefkühlgerichte für die Mikrowelle oder den Ofen.

  • Verzehrfertig: Diese Produkte können direkt nach dem Öffnen verzehrt werden, wie etwa fertige Salate, kalte Soßen, Joghurt, Dosenobst oder Fischkonserven.

Um die Lebensmittel haltbar zu machen, werden verschiedene Methoden wie Tiefkühlen, Trocknen, Pasteurisieren, Säuern oder Vakuumverpacken eingesetzt.

Die perfekte Illusion: Warum Fertigprodukte oft nicht zu erkennen sind

Für den Gast ist es zunehmend schwierig zu erkennen, ob ein Gericht frisch zubereitet wurde. Die Industrie hat die Qualität ihrer Produkte so weit verbessert, dass sie von hausgemachten Speisen kaum noch zu unterscheiden sind. Dies ist ein erklärtes Ziel der Hersteller. Kartoffelecken werden beispielsweise bewusst unregelmäßig geschnitten, um einen handgemachten Eindruck zu erwecken. Selbst der Begriff „hausgemacht“ ist rechtlich nicht geschützt und darf für industriell gefertigte Produkte verwendet werden. Ein paniertes Schnitzel vom Fließband kann so produziert werden, dass die Panade Blasen wirft – ganz so, als käme es frisch aus der Pfanne des Kochs.

Ein kritischer Blick auf die Speisekarte: Anzeichen für Fertiggerichte

Trotzdem gibt es einige Indizien, die auf den Einsatz von Convenience-Food hindeuten können. Ein deutliches Warnsignal ist eine überladene Speisekarte, die sich nie ändert. Kein Restaurant kann eine riesige Auswahl an Fleisch-, Fisch-, Pasta-, Pizza- und womöglich noch Sushi-Gerichten in durchgehend frischer Qualität anbieten. Als Faustregel gilt, dass eine Karte nicht mehr als 20 bis 30 Gerichte umfassen sollte. Auch eine große Anzahl panierter Gerichte kann ein Hinweis sein, da sich diese hervorragend vorproduzieren lassen.

Im Gegensatz dazu deutet eine saisonal angepasste Karte mit regionalen Produkten – wie Bärlauch im Frühling oder Pilzgerichte im Herbst – darauf hin, dass in der Küche noch frisch gekocht wird.

Die Zukunft der Kochkultur: Zwischen Fachkräftemangel und High-Convenience

Eine besondere Form stellen sogenannte „High-Convenience-Produkte“ dar, die selbst für Experten kaum zu entlarven sind. Hierbei handelt es sich um hochwertige, in Manufakturen frisch vorgekochte Gerichte, die oft nach den Rezeptvorgaben der Spitzenrestaurants zubereitet werden. Die einzelnen Komponenten wie Fleisch, Gemüse und Püree werden portioniert in Vakuumbeuteln geliefert und im Restaurant nur noch erhitzt und angerichtet.

Diese Entwicklung hat gravierende Folgen für die Kochkultur. Immer mehr Auszubildende lernen ihr Handwerk nicht mehr von Grund auf, da in den Betrieben Fertigprodukte dominieren. Der Umgang mit Convenience-Food soll daher bald eine größere Rolle in der Ausbildung spielen. Angesichts des anhaltenden Fachkräftemangels und der immer raffinierter werdenden Fertigprodukte wird sich dieser Trend unweigerlich fortsetzen und das kulinarische Erlebnis im Restaurant nachhaltig verändern.