Energiewende mit neuem Schwung: Deutschland forciert Ausbau der Windkraft an Land und auf See
Der Abschied von fossilen Brennstoffen und die Hinwendung zu erneuerbaren Energiequellen ist längst keine theoretische Debatte mehr, sondern prägt zunehmend die Realität des deutschen Energiemarktes. Während globale Fortschritte in der Vergangenheit oft stagnierten, zeigen aktuelle Entwicklungen in der Bundesrepublik, dass die Transformation des Energiesektors an Fahrt aufnimmt. Dies wird derzeit durch zwei bedeutende Projekte unterstrichen: eine umfassende Modernisierung eines Windparks in der Altmark sowie ein technischer Meilenstein beim größten Offshore-Windpark Deutschlands in der Nordsee.
Modernisierungsschub durch Repowering in Fleetmark
Ein zentrales Element der deutschen Strategie ist nicht nur der Neubau, sondern auch die Effizienzsteigerung bestehender Anlagen, das sogenannte Repowering. In diesem Kontext verkündete die Bundesregierung kürzlich eine richtungsweisende Kooperation. Der Industrieriese GE Vernova hat einen Vertrag mit der Prokon Regenerative Energien eG unterzeichnet, um den Windpark in der Gemeinde Fleetmark technologisch auf den neuesten Stand zu bringen. Geplant ist der Einsatz von acht neuen Windenergieanlagen der 6-Megawatt-Klasse.
Diese Maßnahme verdeutlicht den Wandel im deutschen Energiesektor. Gilan Sabatier, Chief Commercial Officer für das Onshore-Windgeschäft bei GE Vernova, betonte die Bedeutung des Projekts für die nationale Strategie. Durch das Repowering bestehender Standorte könne aus den vorhandenen Flächen deutlich mehr Strom gewonnen werden, was die lokale Versorgung nachhaltig stärke. Produziert werden die neuen Turbinen im niedersächsischen Salzbergen, womit das Unternehmen seine industrielle Präsenz und die Wertschöpfung innerhalb Deutschlands weiter festigt.
Regionale Produktion und internationale Vergleiche
Das Werk in Salzbergen, das sich über 70.000 Quadratmeter erstreckt und Komponenten wie Maschinenköpfe und Naben fertigt, spielt eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung der ambitionierten Regierungsziele. Bis zum Ende des Jahrzehnts sollen bis zu 80 Prozent des deutschen Bruttostromverbrauchs aus erneuerbaren Energien gedeckt werden. Katharina Beyer, Vorstandsmitglied für Projektentwicklung bei Prokon, verwies auf die positiven Erfahrungen aus vorangegangenen Projekten in Friedersdorf und Langenbach. Die Zuverlässigkeit der Anlagen bilde das Fundament, um Mitgliedern und Kunden stabilen, sauberen Strom zu liefern.
Interessant ist hierbei der Blick über den Atlantik. Während Deutschland den Ausbau der Windkraft konsequent vorantreibt, beobachten Branchenexperten in den USA eine Stagnation. Dort führen langwierige Genehmigungsverfahren und eine politische Neuausrichtung hin zur Kernenergie dazu, dass der Windsektor an Dynamik verliert. Deutschland hingegen setzt klare Signale für die Windenergie als Rückgrat der zukünftigen Versorgung.
Meilenstein in der Nordsee: „He Dreiht“ speist ersten Strom ein
Doch nicht nur an Land, auch auf hoher See werden neue Maßstäbe gesetzt. EnBWs Offshore-Windpark „He Dreiht“ hat einen entscheidenden operativen Meilenstein erreicht: Die erste Turbine hat ihre Arbeit aufgenommen und speist nun den ersten Strom in das Übertragungsnetz ein. Peter Heydecker, Vorstandsmitglied bei EnBW für nachhaltige Erzeugungsinfrastruktur, bezeichnete dies als einen signifikanten Moment für das Unternehmen.
Mit einer geplanten Gesamtkapazität von 960 Megawatt (MW) avanciert „He Dreiht“ zum größten Offshore-Windpark Deutschlands. Bislang wurden 27 der insgesamt 64 geplanten Turbinen installiert. Die vollständige Inbetriebnahme ist für den Sommer 2026 vorgesehen. Das Projekt liegt rund 85 Kilometer nordwestlich von Borkum und 110 Kilometer westlich von Helgoland.
Technologische Superlative und gigantische Dimensionen
Besondere Aufmerksamkeit gilt der verbauten Technik. Erstmals kommen weltweit Turbinen des Herstellers Vestas mit einer Leistung von jeweils 15 Megawatt zum Einsatz. Nils de Baar, Präsident von Vestas für Nord- und Zentraleuropa, sieht in dieser Technologie einen neuen Standard für die Offshore-Windkraft, da Effizienz und Ertrag pro Anlage massiv gesteigert wurden.
Die Dimensionen sind gewaltig: Die Nabenhöhe beträgt 142 Meter, und der Rotordurchmesser von 236 Metern deckt eine überstrichene Fläche von über 43.000 Quadratmetern ab – das entspricht in etwa der Größe von sechs Fußballfeldern. Allein eine Umdrehung des Rotors kann rechnerisch den Tagesbedarf von vier Haushalten decken. Zum Vergleich: Bei EnBWs erstem Offshore-Projekt „Baltic 1“ im Jahr 2010 kamen noch Turbinen mit einer Leistung von 2,3 Megawatt zum Einsatz.
Netzanbindung und ökonomische Bedeutung
Die logistische Meisterleistung umfasst auch die interne Verkabelung des Parks, die bereits im August abgeschlossen wurde. Der erzeugte Strom fließt zu einer Konverterplattform des Übertragungsnetzbetreibers TenneT, wird dort von Wechsel- in Gleichstrom umgewandelt und über Hochspannungskabel an Land transportiert. Nach Fertigstellung soll „He Dreiht“ rechnerisch rund 1,1 Millionen Haushalte mit Strom versorgen.
Bemerkenswert ist auch die Finanzierung des Projekts. Mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von rund 2,4 Milliarden Euro wird der Windpark ohne staatliche Förderung realisiert. Ein Konsortium bestehend aus Allianz Capital Partners, AIP und Norges Bank Investment Management hält 49,9 Prozent der Anteile, während EnBW von seinem Hamburger Offshore-Büro aus den Bau koordiniert. Sowohl das Repowering in der Altmark als auch der Riesenpark in der Nordsee zeigen eindrücklich, dass die Energiewende in Europa trotz internationaler Herausforderungen konsequent fortgesetzt wird.