Studie: Mehr Menschen in Deutschland wegen Wohnkosten unter der Armutsgrenze

Hohe Mieten und damit verbundene Wohnkosten treiben mehr Menschen in Deutschland in die Armut, als bisher angenommen. Das geht aus einer am Freitag veröffentlichten Studie des Paritätischen Gesamtverbands hervor.

Laut einer Analyse der Daten des Statistischen Bundesamtes gibt ein großer Teil der Haushalte mehr als ein Drittel ihres Einkommens für Wohnkosten aus. In einigen Fällen verschlingt die Miete sogar mehr als die Hälfte des verfügbaren Budgets.

Nach Abzug von Miete, Nebenkosten, Kreditzinsen und weiteren Ausgaben verbleiben laut Studie rund 17,5 Millionen Menschen mit einem Einkommen, das unter der Armutsgrenze liegt.

Definition der Armut

Als arm gelten in Deutschland Personen, die monatlich weniger als 60 % des mittleren Einkommens zur Verfügung haben. Der Median des Einkommens ist der Wert, bei dem die Hälfte der Bevölkerung mehr und die andere Hälfte weniger verdient.

Kritik: Armut wird unterschätzt

Der Paritätische Gesamtverband kritisierte, dass die üblichen Armutsstatistiken Millionen Betroffene nicht erfassen, da ihre Wohnkosten nicht berücksichtigt werden. „Wer nur auf das Einkommen schaut, aber nicht darauf, dass Menschen durch hohe Wohnkosten immer weniger Geld zur Verfügung haben, unterschätzt das Ausmaß der Armut in Deutschland“, heißt es in der Analyse.

Den Berechnungen zufolge leben rund 5,4 Millionen Menschen mehr unter der Armutsgrenze, wenn die Wohnkosten berücksichtigt werden. Mehr als 20 % der Bevölkerung gelten dann als arm. Für einen Einpersonenhaushalt liegt die Armutsgrenze bei einem verfügbaren Einkommen von 1.016 Euro pro Monat.

Gleiche Einkommen – ungleiche Lebenslagen

Die Studie zeigt auf, dass gleiche Einkommen nicht zwangsläufig gleiche finanzielle Verhältnisse bedeuten. Als Beispiel wird ein Rentner mit einer gesetzlichen Rente von 1.770 Euro genannt. Zahlt dieser für seine langjährige Wohnung nur 450 Euro Miete, gilt er nicht als arm. Muss er jedoch in eine barrierefreie Wohnung umziehen und 900 Euro Miete zahlen, fällt er unter die Armutsgrenze.

„Der Lebensstandard wird nicht mehr allein durch das Einkommen bestimmt“, betonte der Verband. „Entscheidend ist, wie viel Geld nach Abzug der Wohnkosten übrig bleibt.“

Junge und ältere Menschen besonders betroffen

Besonders betroffen sind laut Studie junge Erwachsene unter 25 Jahren – darunter viele Studierende – sowie ältere Menschen über 65. Alleinlebende sind stärker gefährdet als Paare, da sie meist höhere Wohnkosten pro Kopf haben. Besonders prekär ist die Lage für alleinlebende Rentnerinnen und Rentner.

Regionale Unterschiede

Die Analyse zeigt auch regionale Unterschiede: In Bremen, Sachsen-Anhalt und Hamburg ist die sogenannte Wohnkostenarmut besonders stark verbreitet. Am geringsten ist sie in Baden-Württemberg und Bayern. In Hamburg und Schleswig-Holstein ist der Unterschied zwischen der herkömmlichen Armutsquote und der wohnkostenbereinigten Quote besonders groß.

Forderung nach mehr sozialem Wohnungsbau

Angesichts der Ergebnisse fordert der Paritätische Gesamtverband von der zukünftigen Bundesregierung die Schaffung neuer und dauerhaft sozial geförderter Wohnungen.

„Eine zielgerichtete Politik zur Armutsbekämpfung in Deutschland erfordert gute Löhne, eine bessere soziale Absicherung und eine Wohnpolitik, die bezahlbare Mieten sicherstellt“, erklärte der Hauptgeschäftsführer Joachim Rock.